Schlussfolgerungen

Die Anlässe und Implikationen, die zu Kunst im öffentlichen Raum führen, sind höchst unterschiedlicher Natur. Ein Großteil der existierenden Arbeiten haben Erinnerungs- und Gedenkfunktion, eine Vielzahl oft kleinerer Werke haben dekorativen und/oder volkstümlichen Charakter, wenige Arbeiten sind dagegen als autonome oder gar „selbstbeauftragte“ Kunstwerke einzuordnen. Das bedeutet, dass sich die Bürgerschaft und ihre Vertreter in Politik, Institutionen und Verwaltung über die gewünschte (zukünftige) inhaltliche wie gestalterische Funktion von Kunst im öffentlichen Raum klar werden müssen. Es gilt daher, tragfähige Kriterien und Verfahren zu entwickeln und diese auch konsequent umzusetzen, was u.a. die Installation kompetent besetzter und entscheidungsbefugter Gremien bedeutet, die auch dieser Aufgabenstellung entsprechend finanziert sein müssen.

Ein besonderes Augenmerk gilt dabei auch einer deutlichen Unterscheidung zwischen temporärer und dauerhafter Kunst sowie der Berücksichtigung der „naturgemäßen“ Veränderung stadträumlicher und architektonischer Bedingungen, die auf letztere zwangsläufig Auswirkung haben müssen (Stichwort: Urheberrecht). Die Bedeutung einer informativen wie diskursiven Begleitung von temporären Arbeiten darf hierbei nicht unterschätzt werden, denn zum einen sind gerade hier entsprechende Vermittlungsleistungen als „Volksbildungs-Investitionen“ zu betrachten, die sowohl einer bewussten oder auch kompetent-kritischen Wahrnehmung wie einer angemessenen Wertschätzung von Kunst im öffentlichen Raum nur zuträglich sein kann. Zum anderen wird dadurch verhindert, dass die „unkontrollierte“, sowohl dem „Zufall“ als auch dem gerade in Köln recht ausgeprägten Phlegma geschuldete Akkumulation von Objekten und Aktionsüberbleibseln fortschreitet.

Hierbei ist es unumgänglich, Werte- genauso wie Wert- Diskussionen zu führen, die einen konsensfähigen Ausgleich ermöglichen zwischen einer transparenten und konsequenten Entscheidungskultur einerseits und einer angemessen urbanen und entsprechend lebendigen Ermöglichungskultur andererseits. Um diese Ziele zu erreichen, ist ein gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern zu entwickelnder Prozess erforderlich, der Interesse und Inspiration erzeugt, Wissen und Kompetenz schafft und aktiviert, Experimente und Veränderungen ermöglicht.

Allgemeine Zielsetzungen:
Schaffung von Bewusstsein für den Wert des öffentlichen Raums und die Werte im öffentlichen Raum

Schaffung öffentlich zugänglicher Instrumente zur Dokumentation (Status quo / Planungen / Projekte)

„Institutionalisierung“ einer Wissenstransfer- und Debatten- Kultur auf stadtgesellschaftlicher Ebene

Installation einer obligatorischen und entscheidungswirksamen Beteiligung (Stichwort: Vetorecht) von angemessen ausgestatteter Fachkompetenz

Klärung und/oder Vereinfachung der Zuständigkeiten bei Verwaltung und Politik

„Objektivierung“ der jeweiligen Entscheidungsfindung und deren konsequente Umsetzung (mit Hilfe der o.g. Punkte)

Effektivierung der Entscheidungsprozeduren

Konkrete Handlungsvorschläge

Den genannten Zielsetzungen entsprechen folgende Handlungsvorschläge, die den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, aber auch der Bürgerschaft und anderen Akteuren der Stadt empfohlen werden.


1. Ermöglichung und Förderung eigeninitiativer, auch unabhängiger Interventionen und Aktivitäten durch Künstler, Institutionen und unabhängige Projekte

Um den Diskurs aktueller Kunst in der Stadt zu stärken, kritische Potenziale zu fördern und das Kontingent autonomer, selbstbeauftragter künstlerischer Arbeiten in ihr zu erhöhen,
sind verschiedene Maßnahmen notwendig.

1.1. Freie Projekte städtischerseits und institutionellerseits
fördern, statt Auftragskunst zu bevorzugen

1.2. Unkonventionelle Formen und Strategien ermöglichen,
Frei- und Möglichkeitsräume durch Deregulierung schaffen

1.3. Möglichkeitsräume finanzieller wie räumlicher Art nutzen,
um solche Aktivitäten zu unterstützen


2. Überarbeitung der Vorgaben und Grundsätze für Kunst
am Bau

Die Mittel für Kunst am Bau sind oft die einzigen, die für Kunst im öffentlichen Raum zur Verfügung stehen. Die Maßgaben, unter denen sie Verwendung finden, sind dringend zu überarbeiten, zu flexibilisieren und den geänderten Formen künstlerischer Arbeit anzupassen, um progressive Kunst produzieren zu können.

2.1. Im Rahmen jeder öffentlichen Baumaßnahme die Möglichkeiten von Kunst-am-Bau-Maßnahmen ausschöpfen

2.2. Die Rahmenbedingungen solcher Arbeiten müssen erheblich erweitert werden:

• Ermöglichung temporärer Interventionen, performativer Arbeiten oder kollaborativer und sonstiger Strategien im Rahmen von Kunst am Bau

• Entscheidung nach Sinnfälligkeit: Verlagerung von objektbezogenen Geldern aus Kunst am Bau auch an andere Orte, die durch künstlerische Interventionen verbessert werden und keine Gelder zur Verfügung haben

2.3. Einsetzung entsprechender unabhängiger Gremien mit Fachbesetzung für Kunst im öffentlichen Raum (z.B. Kunstkommisssion mit Künstlerbeteiligung)

3. Förderung bürgerschaftlicher Selbstverantwortung und Handlungspraxis

Durch administrative Überregulierung wird bürgerschaftliche Selbstverantwortung an den Rand städtischer Praktiken gedrängt, während das Freisetzen von Räumen zur Selbstverwaltung Teilhabe an der Stadt und soziale Kompetenz produziert. Im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum muss ein permanenter Diskurs der Bürger über die Kunst in ihrer Stadt veranlasst werden, um ein aktives Bewusstsein der Menschen für diese und den Stadtraum zu etablieren. Dazu sind folgende Schritte sinnvoll:

3.1. Einrichtung eines bürgerschaftlichen Gremiums, das in regelmäßigen Intervallen Stadtrundgänge und Neubeurteilungen der künstlerischen Arbeiten zusammen mit Fachleuten organisiert

3.2. Beteiligung dieses Gremiums an Diskussionen (nicht zwingend an Entscheidungen) zu Kunst im öffentlichen Raum

3.3. Einbindung des Gremiums in die Aktionen des StadtLabors

4. Innerkünstlerische Debatte zu Selbstverantwortung und Urheberrecht

In geeigneten künstlerischen Vertretungen und Verbänden, aber auch in der freien Szene sollte ein Diskurs über die Sinnfälligkeit des Urheberrechts bei Kunst im öffentlichen Raum geführt werden. Ziel davon ist nicht die Aushöhlung dieser Rechte, sondern ein Bewusstsein der Künstlerschaft für seine sinnvolle Anwendung, die einer Musealisierung des öffentlichen Raums und seiner Übermöblierung mit fragwürdig gewordenen Festschreibungen entgegenwirkt. Ziel ist die bewusste Mitverwaltung des öffentlichen Raums als stets neu zu verhandelnde, offenzuhaltende Größe, als Raum eines aktiven Stadtdiskurses.

5. Generationsgebundene Überprüfung städtischen Kulturkapitals auf seine Sinnfällikeit: Der „Zukunftskongress urbane Kunst“

Welcher Kunst und welcher Geschichte gilt unsere Errinnerung, und welche Zukunftsperspektiven sind darin enthalten? Statt mehr und mehr Artefakte als Zeitzeugen unbeurteilt in der Stadt anzuhäufen, soll ein „Zukunftskongress urbane Kunst“ jeder Generation die Möglichkeit geben, im Diskurs mit Fachleuten die Artefakte in der Stadt neu zu bewerten und über ihre aktuelle Sinnfälligkeit und Präsenz in der Stadt zu entscheiden.Entsprechende Neusortierungen könnten dann aktuell vorgenommen werden und den nachbarschaftlichen Diskurs von Kunst im öffentlichen Raum vital und aktiv in der städtischen Diskussion halten.

6. Archivieren statt Abräumen: Das „Archiv“ als Lager des
historischen Vokabulars

Temporär aussortierte Arbeiten werden nicht beseitigt, sondern eingelagert, um späteren Generationen für einen neuen innerstädtischen Diskurs als Vokabular zur Verfügung zu stehen. Das Archiv repräsentiert damit den verantwortungsvollen, aber differenzierten Umgang mit Kultur und Geschichte.

7. Der öffentliche Raum und die Verwaltung: ämterübergreifendes Arbeiten

Die häufigste Ursache für komplexe unverständliche Gemengelagen im öffentlichen Raum ist weiterhin in der bisweilen sehr ungenügend ausgebildeten Kommunikation zwischen den ihn verwaltenden Administrationen zu suchen. Obwohl, wie gerade im StadtLabor praktiziert, die ämterübergreifende Arbeit mehr und mehr Aufmerksamkeit erfährt, beharren doch weiterhin viele auf ihren Hoheitsgebieten und verteidigen Einflussbereiche vor dem Zugriff von anderen.

Diese Grenzen so durchlässig wie möglich zu machen muss oberstes Ziel der Administration sein. Ämterübergreifendes, kooperatives Handeln, aber auch die Einbeziehung fremder Fachkompetenz ist der einzige Weg, diesen Raum neu zu strukturieren. Bürgerbefragung und -beteiligung müssen dabei eine wichtige Rolle spielen, um Teilhabe an und Verantwortlichkeit für Stadt zu generieren.

Diese Handlungsstrukturen sollten nicht den Entscheidungen einzelner überlassen bleiben, sondern als Handlungsrichtlinien festgeschrieben werden.

8. Differenzierung: Struktur und Inhalt

Inhaltliche Entscheidungen sollen von Fachkompetenz, strukturelle von Verwaltungskompetenz getroffen werden, wobei sich beide gegenseitig beraten und gemeinsam die Schnittstellen diskutieren sollten. Häufige Ursache für problematische Entscheidungen in Bezug auf Kunst im öffentlichen Raum ist ein Übergriff der Administration auf inhaltliche Entscheidungen.

9. StadtLabor Köln

Das StadtLabor Köln hat auch in der interdisziplinären Arbeit zwischen den Administrationen einen beispielhaften Diskurs zwischen Kunst und Planung initiiert. Dieser sollte auf andere Ämter ausgeweitet werden.

Gleichzeitig sollten die durch den „urbanen Kongress“ angeschobenen künstlerischen und gesellschaftlichen Formen weitergeführt werden. Dazu gehört insbesondere:

9.1. Die Fortsetzung bzw. Einführung regelmäßiger informativer wie diskursiver Stadtrundgänge zur Information und Beteiligung der Bürgerschaft

9.2. Die Etablierung eines Ortes, an dem die Arbeit des Stadt- Labors nachvollziehbar in den städtischen Raum vermittelt wird, der aber auch offener Raum für unabhängige Projekte und für die Meinungsbildung und -äußerung der Bürgerschaft ist.

9.3. Das StadtLabor sollte auf die dauerhafte Einsetzung einer speziellen Kommission für Kunst im öffentlichen Raum mit Fachbesetzung hinarbeiten. Neben dem Kunstbeirat, der als Gremium den klassischen städtischen Institutionen entspringt, ist eine Kunstkommission (z.B. nach Münchner Vorbild: www.quivid.de) mit explizit thematischer Fachbesetzung, in der besonders auch Künstler und Aktivisten der freien Projektszene vertreten sind, von hoher Bedeutung. Diese Kommission sollte bei Entscheidungen zu Kunst im öffentlichen Raum jeder Art federführend sein, aber auch bei stadtplanerischen und stadtsanierenden Maßnahmen als beratendes Expertengremium herangezogen werden.

9.4. Die zukünftigen Aktivisten des StadtLabors sollten möglichst unabhängig arbeiten, um möglichst heterogene Erkenntnisse zu Kunst und Stadt zu produzieren. Auf eigene künstlerische Inputs sollten sie jedoch verzichten, um das StadtLabor als unabhängiges Entwicklungsinstrument für die Stadt, und nicht als eines zur Verwirklichung eigener künstlerischer Ideen zu etablieren.

9.5. Die Übernahme etablierter Tools wie der regelmäßigen Stadtspaziergänge und des „Archivs für ungenutzte Kunst“ werden empfohlen.

9.6. Das StadtLabor sollte durch eine feste Stelle unabhängig und sachlich betreut werden, um die Aktivisten bei ihrer Arbeit zu unterstützen, aber auch um die Projektkontinuität und die Weitergabe von Erkenntnissen langfristig zu gewährleisten. Die Position, die Dr. Adelheid Komenda im Feldversuch optimal ausfüllte, bildet eine sachliche Kontinuität, entlang derer sich die inhaltlichen, formalen und praktischen Konzepte der zukünftig Aktiven organisieren können.

 

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